Nachdem mehrere Mitarbeiter der Olive Press auf der Suche nach einer Wohnung Opfer von Betrügern und Gesetzesbrechern geworden sind, befasst sich Yzabelle Bostyn mit dem Ansturm auf dem spanischen Mietmarkt
Vor genau einem Jahr führte die spanische Regierung ihr viel beachtetes Gesetz “La nueva Ley de Vivienda” ein. Das neue Wohnraumgesetz sollte eine Vielzahl von Problemen auf dem Mietmarkt lösen und insbesondere die Zahl der erschwinglichen Wohnungen für junge und sozial schwache Menschen erhöhen. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehörten eine Obergrenze von 3 Prozent für Mieterhöhungen, zusätzliche Mietobergrenzen in “Stressgebieten” und das Recht auf Vertragsverlängerung um bis zu fünf Jahre. Doch trotz der guten Absichten wurden viele der vorgeschlagenen Änderungen im ganzen Land ignoriert. Die 17 autonomen Regionen durften das Gesetz nach eigenem Gutdünken anpassen oder verwässern, was zu Chaos und offenem Widerstand geführt hat. Die andalusische Landesregierung zum Beispiel hat ihren Ärger sogar vor das Verfassungsgericht getragen, das inzwischen Teile des Gesetzes für verfassungswidrig erklärt hat. Der landesweite Widerstand hat dazu geführt, dass der Mietmarkt noch stärker unter Druck steht als zuvor: Die Mieten liegen 30 Prozent über den von den Aufsichtsbehörden festgelegten Zielen, und der soziale Wohnungsbau ist am Boden. Nach Angaben des führenden Immobilienportals Fotocasa gaben die Mieter im vergangenen Jahr 43 Prozent ihres Gehalts für die Miete aus – ein Fünfjahreshoch. Es ist keine Überraschung, dass sich laut einer Studie der Critical Urban Study Group ein “neuer Klassenunterschied” zwischen Mietern und Vermietern entwickelt hat.
Die Wut ist nur allzu deutlich zu spüren, wenn man sich die jüngsten Proteste gegen den Tourismus und die Ferienvermietung im Stil von Airbnb in den Städten im ganzen Land ansieht, darunter Málaga, Barcelona und Palma. Es kam sogar zu einer massiven Gegenreaktion. Einige lokale Protestgruppen (wie die Gruppe in Girona) wollen wissen, wo Ausländer gewohnt oder gekauft haben. Es wurden abfällige Aufkleber angebracht an Airbnb-Wohnungen angebracht, die Touristen kritisieren. Es wurden auch einige Wohnungsschlösser von Airbnb’s mutwillig zerstört. Was ist also schiefgelaufen?
Bei dem Versuch, Mieter zu schützen, ging das neue Wohnraumgesetz einfach zu weit. Dem Gesetz fehlte es an Subtilität und es gewährte den Mietern zu viel Schutz, einschließlich des Rechts auf automatische Verlängerung langfristiger Verträge um bis zu fünf Jahre. Darin festgelegt wurde auch, dass alle Vermittlungsgebühren vom Vermieter zu zahlen sind, was bedeutete, dass der Mieter nichts mehr extra für den Makler zu zahlen brauchte. “Es gibt jetzt so viel Bürokratie, dass sie kontraproduktiv ist”, erklärt Adam Neale, Immobilienexperte bei der Agentur Terra Meridiana in Estepona, gegenüber der Olive Press. “Es hat das Gegenteil von dem bewirkt, was beabsichtigt war. Die Vermieter haben einfach keinen Anreiz mehr, zu vermieten oder sich an die Vorschriften zu halten, weil sie schlechte Mieter und Hausbesetzer riskieren. Das Ergebnis ist, dass die Vermieter lieber Wohnungen an Touristen vermieten oder entwickeln. Und jetzt gibt es eindeutig ein Überangebot an Touristenwohnungen und ein Unterangebot an Mietwohnungen”, fügt er hinzu. Die hohe Nachfrage und Gesetze, welche die Mieter schützen sollen, haben vermehrt dazu geführt, dass die Vermieter glauben, dass sie mit der Umgehung der gesetzlichen Bestimmungen davonkommen.
Astronomische Preise, Betrügereien, fragwürdige Verträge und Vermietungen “unter dem Radar” sind im ganzen Land weit verbreitet. In den letzten zehn Jahren sind die Mieten um bis um mehr als das Doppelte angestiegen gegenüber den Durchschnittseinkommen (77 Prozent gegenüber 33 Prozent), sodass es für viele immer schwieriger wird, sich eine Wohnung zu leisten, wenn nicht unmöglich. “Die aktuellen Preise sind absurd. Es stimmt zwar, dass die Kosten für die Vermieter gestiegen sind, aber sie sind gierig und verlangen viel zu viel”, erklärt Christina Ford, Maklerin bei Paraiso Casas in Axarquia, die seit 15 Jahren an der Costa del Sol tätig ist. Viele Vermieter argumentieren jedoch, dass sie das Vermieten als “Risiko” betrachten, was bedeutet, dass sie versuchen, das Gesetz zu verbiegen, um ihre Interessen zu schützen. Unglaublicherweise ist es in vielen Teilen Spaniens immer noch legal, ohne Lizenz als Makler tätig zu sein, was bedeutet, dass viele Vermieter und Makler das geltende Recht nicht kennen. “Viele Vermieter kommen zu mir, aber wenn ich sie frage, ob sie das neue Gesetz kennen, muss ich es ihnen zeigen. Und selbst wenn sie das Gesetz kennen, gehen sie zu mehreren Maklern, bis sie einen finden, der bereit ist, es zu brechen”, sagt Christina Ford.
Einer der häufigsten Betrügereien, an denen sich Vermieter und Makler beteiligen, ist die Erhebung von Vermittlungsgebühren von den Mietern. Das neue Gesetz der “Ley de Vivienda”, das einst eine 50:50-Aufteilung zwischen Vermietern und Mietern vorsah, machte die Zahlung von Maklerprovisionen für Mieter illegal. Eine Untersuchung der Olive Press hat jedoch ergeben, dass es immer noch eine gängige Praxis ist, von den Mietern eine Maklergebühr zu verlangen. Ein halbes Dutzend Mieter, die wir für diesen Artikel befragten, gaben an, dass sie aufgefordert wurden, eine Provision von einem Monat zusätzlich zu einem Vorschuss von zwei, oft sogar mehreren Monatsmieten zu zahlen. Damon Schur, ein Student aus Pennsylvania (USA), wurde eine “Vermittlungsgebühr” in Höhe von 975 Euro in Rechnung gestellt. Er wusste, dass diese Praktik nicht legal war, doch zwang ihn die Situation am aktuellen Wohnungsmarkt, sich bereitzuerklären, diese zusätzliche Gebühr zu zahlen. “Das ist einfach etwas, das man tun muss. Sonst bekommt man keine Wohnung”, sagte er. Zusätzlich musste der 32-Jährige den Makler davon “überzeugen”, die Wohnung an ihn zu vermieten, indem er sechs Monatsmieten im Voraus und eine zweimonatige Kaution zahlte – beides illegale Praktiken. Insgesamt musste er eine Vorauszahlung in Höhe von 8.775 Euro zahlen – eine Summe die sich sehen lassen kann und die sich nicht jeder leisten kann. “Ich musste das Spiel mitspielen, sonst wäre ich obdachlos geworden”, gestand er. “Die meisten Leute wissen, dass es nicht richtig ist, aber so ist es nun mal. Es ist ein verkorkstes System, aber ich kann es nicht allein bekämpfen. Wir Mieter müssen zusammenhalten und zusammen kämpfen.” Ford zufolge ist es eine “Zwickmühle”, denn wenn die Makler von den Mietern keine Provision verlangen, “riskieren sie, nicht bezahlt zu werden”, da sich viele Vermieter sich einfach weigern, die Vermittlungsgebühr zu zahlen. Einige Makler versuchen sogar, für jedes Jahr, das ein Mieter in der Wohnung verbringt, eine Gebühr zu verlangen. Oliver Reynolds (32) wurde gesagt, er müsse 900 Euro mehr zahlen, um ein weiteres Jahr in seiner Wohnung in Marbella zu bleiben. “Sie sagten mir, es ginge nur darum, das Datum im Vertrag zu ändern”, erklärte er gegenüber der Olive Press. Als er darauf hinwies, dass dies illegal sei, erklärte ihm der Makler, dass dies “nur seine Art sei, Geschäfte zu machen”. “Das ist hart und keine sehr nette Art, normale Arbeitnehmer zu behandeln”, erklärte der Mathematiklehrer, der an einer internationalen Schule tätig ist. Jetzt ist er auf der Suche nach einer anderen Wohnung. Doch dabei stößt er immer wieder auf andere gängige illegale Praktiken, wie z. B. das Angebot eines 11-Monats-Vertrags, um die neuen Gesetze zu umgehen. Ein Jahresvertrag würde sich automatisch um ein Jahr verlängern, und nach dem neuen Gesetz haben Mieter bei langfristigen Mietverträgen das Recht auf eine automatische Verlängerung um bis zu fünf Jahre. Außerdem wird ihnen ein Vorkaufsrecht eingeräumt, wenn die Immobilie zum Verkauf angeboten wird. Viele Makler verwenden daher eine 11-monatige Laufzeit, die sie fälschlicherweise als “kurz” definieren, um die Mieter davon zu überzeugen, dass sie kein Recht auf Verlängerung oder ein Vorrecht beim Kauf haben. “Dies ist ein typischer Betrug, mit dem Vermieter versuchen, das Gesetz zu umgehen”, so Arturo Lopez von der Immobilienrechtskanzlei Lopez Legal. “Aber wenn jemand die Absicht hat, eine Immobilie als ständigen Wohnsitz zu nutzen, wird dies als langfristig definiert und der Mieter hat alle entsprechenden Rechte. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Richter diese Verträge außer Kraft setzt, liegt bei 95 Prozent” führt er aus. Die Olive Press sprach auch mit mehreren Mietern, deren Vermieter versuchten, sie rauszuwerfen, “um die Mieten zu erhöhen”. Aber das spanische Wohnraumgesetz erlaubt es den Mietern nicht nur, fünf Jahre lang in ihren Wohnungen zu bleiben, sondern beschränkt auch die Mieterhöhungen auf 3 Prozent pro Jahr. Jean Yves, ein 65-jähriger französischer Auswanderer, lebte mit seiner Frau und seiner Tochter seit 18 Monaten in seinem Haus in Calanova in Mijas, als seine “böse” Vermieterin ihn und seine Familie aufforderte, auszuziehen. Sie behauptete “aggressiv”, dass sie die Immobilie aufgrund von Eigenbedarf benötige, eine legitime Methode, um Langzeitmieter aus einer Immobilie zu werfen. Da die Immobilie jedoch unter einer Gewerbeerlaubnis steht, war dies rechtlich nicht zulässig. “Das hat meine Familie sehr gestresst, aber warum sollten wir ausziehen, nur damit sie hier die Miete erhöhen kann und wir woanders mehr zahlen müssen?” Einem britischen Geschäftsmann, der seit drei Jahren in San Pedro de Alcantara zur Miete wohnt, wurde von seiner Vermieterin gesagt, dass sie die Wohnung für ihren Sohn “brauche”, obwohl er selbst drei andere Wohnungen besitzt. “Das ist der älteste Trick der Welt: Sie behaupten, dass sie Familienmitglieder haben, die nirgendwo wohnen können. Sie kommen erst flehend und fordern dann aggressiv, dass man ausziehen muss”, erklärte er und bat darum, anonym zu bleiben. “Mir ist das in meinem früheren Haus in Casares passiert, und das Entscheidende ist, dass sie meistens gar nicht die Absicht haben, einen Sohn oder eine Tochter einziehen zu lassen, sondern nur zu einem höheren Preis vermieten wollen. Mein Rat ist, standhaft zu bleiben und darauf zu bestehen, dass Sie nicht umziehen, denn dann muss der Vermieter vor Gericht beweisen, dass wirklich Eigenbedarf besteht.”
Der Immobilienexperte Arturo meint: “Alle diese Probleme müssen gemeldet werden. Aber stellen Sie sich vor, Sie sind ein verzweifelter Mieter, der so behandelt wird, und der Vermieter fragt Sie ganz subtil, was nun? Gehen Sie zur Polizei? Ich bezweifle ernsthaft, dass dies als Straftat angesehen wird.” Trotz der “guten Ideen”, die hinter dem neuen Wohnraumgesetz stehen, scheint es in der Praxis keine Infrastruktur zum Schutz der Mieter und zur Gewährleistung eines fairen, gerechten Marktes zu geben. Solange die Regionen die Gesetze ignorieren und die Dinge verschleiern, wird sich wahrscheinlich auch wenig ändern. Bislang hat nur Katalonien das “Ley de Vivienda” mit offenen Armen empfangen, während Andalusien es vor Gericht angefochten hat. Da die Spannungen wegen der Mietpreise, der steigenden Nachfrage, der zahlreichen Betrügereien und des Überangebots an Touristenwohnungen zunehmen, fragen wir uns, ob das Gesetz bis zum nächsten Jahr überleben wird?